Die ersten 90 Tage mit dem eSmart

Seit April sind wir nun schon stolze Besitzer eines eSmart- und haben den Kauf nicht bereut. Gerne würden wir einige unserer Erfahrungen teilen- für alle die noch zögern. Oder Verfechter von Diesel- und Benziner sollten auch mal genauer lesen.

Wer mich länger kennt, weiß, dass ich mich mit dem Thema „ökologisch zu Arbeit fahren“ schon beschäftige, seitdem ich fest angestellt bin. Die Vorgängerartikel befinden sich hier: [1] [2] [3] [4] [5]

Ich möchte hier auch keine Diskussion eröffnen, ob es nicht sinnvoller ist mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren- ich verweise dabei nur auf einen Diskussionpfad bei mastodon. Wenn möglich, nutze ich derzeit, das 9€-Ticket, wenn nicht, nehme ich unseren eSmart- von uns „Sumse“ getauft.

Die Kosten

Wie bereits in einem anderen Beitrag erwähnt, haben wir für unsere Sumse 8.000€ bezahlt. Das Fahrzeug ist bereits 9 Jahre alt, hat inzwischen 67.000km runter und der Akku hat noch über 95% Kapazität. Wir zahlen derzeit 193,50€ pro Jahr Vollkasko bei 12.000km jährlicher Fahrtleistung. Das Pendeln zur Arbeit und zurück (28km pro Strecke=56km pro Tag im Büro) kostet vom Frühjahr bis in den Herbst ca 2,30€ (im Vergleich dazu: mit dem VW Touran 2,0TDI (140PS) wären es 7€– alles bei den Preisen, die derzeit, also Anfang Juli 2022 gelten). Die Vergleichsfahrten mit dem Touran und der Sumse habe ich versucht, möglichst mit der gleichen Geschwindigkeit zu fahren.

In meinen Augen ein klarer Pluspunkt für die Sumse.

Die Reichweite

„Wie könnt ihr nur ein Auto kaufen, dass nur 130km Reichweite hat?“ – „Was wollt ihr als Familie mit einem 2-Sitzer?“ – „Den smart fährt aber dann nur Deine Frau?“

Diese und ähnliche Fragen wurden mir häufig gestellt. Die angeblichen 130km kamen mir auch sehr knapp vor, aber mal ganz ehrlich, wie oft im Jahr fährt man mehr als 60km am Tag? Ich jedenfalls nicht- habe ich auch keine Lust zu- größere Strecken fahre ich lieber mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Mir ist klar, dass das nicht für jeden passt, aber für die meisten schon. Gerade bei uns auf dem Land, wo die meisten Fahrten zur Arbeit sind und dort die öffentlichen Verkehrsmittel nicht überallhin fahren.

Letzten Samstag haben wir eine Reichweitenprobe gemacht- wie weit kommen wir wirklich mit der Sumse. Wir (2 Personen) sind von Wingeshausen nach Kreuztal gefahren, um dort einige Sachen zu erledigen (2 Stopps mit Adresse suchen), danach sind wir bis nach Geisweid gefahren, haben dort einige schwere Einkäufe eingeladen (ca 45kg zusätzlich) , sind danach nach Erndtebrück, haben das Auto noch mehr beladen (nochmal 30kg zusätzlich) und sind dann wieder nach Hause- alles ohne nachzuladen. Gesamtstrecke ca 96km. Bei der Ankunft zu Hause zeigte unser Akku folgenden Ladestand:

Ladestand bei 40%

Da ich das Auto bei der Abholung mit einem deutlich niedrigeren Ladestand in die Garage gefahren habe, weiß ich, dass die Ladeanzeige wirklich linear abfällt.

Wer jetzt den Dreisatz beherrscht, kann nachrechnen, dass damit die Reichweite in dieser Konstellation bei bei fast 160km liegt- also deutlich höher als die Reichweite, die der ADAC einmal gemessen hatte. Ich habe im Netz auch einen NEFZ-Wert für genau unseren Fahrzeugtyp von 130km gefunden.

Hingegen mit unserem Touran hätten wir eine theoretische Reichweite von 1250km, aber die angegeben 6,5l/100km erreichen wir eigentlich nie. Ich habe früher einen Passat 131PS (1,9l TDI) gefahren und diesen bis runter auf 4,4l/100km bekommen, aber egal, was ich versuche, mit unserem Touran ist es sehr schwierig, überhaupt unter 7l zu kommen.

Wie kommt ein solch niedriger Verbrauch (also höher als vom Hersteller angegeben) zustanden, wenn das bei Dieseln und Benzinern eigentlich nie möglich ist? Das Zauberwort heisst „Rekupation“- anstatt mit der (mechanischen) Bremse die Beschleunigungsenergie einfach als Wärme verpuffen zu lassen, kann mit Hilfe der Rekupation der Akku wieder geladen werden. Dabei wird die Beschleunigungsenergie (Masseträgheit) wieder in elektrische Energie umgewandelt, weil genau genommen ein Elektroauto keinen Elektromotor sondern eine Elektromaschine hat. Damit ist gemeint, dass diese Maschine wahlweise als Generator oder als Motor arbeitet- je nachdem, was gefordert ist. Wenn man sich dabei geschickt anstellt, ist der Akku zwischendurch auch wieder komplett voll- zum Beispiel bei einer Fahrt von Wingeshausen nach Schmallenberg. Wenn sich jetzt jemand darüber wundert: Schmallenberg liegt deutlich niedriger als Wingeshausen.

Wer ein Elektroauto fährt, muss sich im Klaren darüber sein, dass die mechanischen Bremsen selten benutzt werden und korrodieren („rosten“)- deshalb müssen diese von Zeit zu Zeit einfach mal so benutzt werden- natürlich nicht, wenn jemand hinter einem herfährt! Entgegen der Behauptung des Händlers muss bei bestimmten Strecken zusätzlich mit der mechanischen Bremse gebremst werden, da die Rekupation auch ihre Grenzen hat (z.B. auf der Strecke zwischen Jagdhaus und Fleckenberg).

Die Beschleunigung

Lustiges Thema- jeder, der schon einmal ein Elektroauto gefahren hat, weiß warum. Im Gegensatz zu einem Diesel oder Benziner haben Elektroautos einen wesentlich höheren Wirkungsgrad -über 90% werden in Beschleunigung umgewandelt, während dieser Wert bei Dieseln und Benzinern zwischen 25 und 32% liegt- der Rest geht als Wärme flöten.

Zusätzlich ist das Anzugsmoment bei Elektromotoren genauso hoch wie das höchste Drehmoment, dass heisst, man muss sie zum Start herunterregeln, da sie die „Kraft“ nicht auf die Straße bringen können. Ich sage es einmal so: Der Kenner grinst, schweigt und lässt dem Audi eine halbe Sekunde Vorsprung, um ihn dann noch zu überholen… Keine Schaltpause und eine Megabeschleunigung, die bis 50km/h wesentlich größer ist.

Im Winter

…ist es meist kalt. Das hat keine guten Auswirkungen auf die Reichweite beim Elektroauto. Deshalb arbeiten viele Elektroautohersteller mit kleinen Tricks, z.B. werden die Akkus gewärmt, damit diese nicht zu viel Reichweitenverlust haben.

Außerdem erzeugt ein Elektromotor zu wenig Wärme, um damit den Innenraum zu wärmen, deshalb muss eine kleine Elektroheizung zugeschaltet werden- das kostet natürlich Reichweite. Wie sich das genau verhält bei unserem Smart und den -20°C, die in Wittgenstein mehrere Wochen am Stück sind, werde ich noch berichten. Falls es zu einer Reichweitenveränderung von -50% kommt, schaffe ich es aber immer noch hin und zurück.

Fazit

In einem Wort: Positiv.

Da wir in Zukunft mehr auf ökologische Fortbewegung achten müssen (Klimawandel, Ölkrise,….) kann ich nur folgenden Weg empfehlen: Das Verkehrsmittel gerade in Bezug auf CO2-Ausstoß auszuwählen, soll heißen, wenn ich nicht fahren muss, mache ich es auch nicht (Fernwartung, Telefon, Chat,…), wenn eine Fahrt erforderlich ist, prüfe ich, ob es mit dem Fahrrad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln geht, wenn nicht, geht es mit dem e-smart? Wenn das auch nicht geht, zwinge ich mich, mindestens 2 Fahrten zusammenzulegen.

Setzt natürlich ein bischen Planung voraus, ist aber mit etwas Übung einfacher, als immer nur rumzumeckern, dass alles zu teuer ist.

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