Der Zug ist abgefahren

– wir sehen gerade die Licher im Nebel verschwinden.
Mit viel Rennen können wir ihn noch erreichen – oder: „was ich auf der Reise nach Schweden und Dänemark lernte“.

Wer eine verreist, kann viele Geschichten erzählen. Wer sich aufmerksam im Reiseland umschaut, wird viele gleiche Dinge finden, aber auch Dinge, die anders funktionieren.

Dieses Jahr haben wir als Familie viele Reisen unternommen, zu manchen war ich alleine unterwegs. Auch jetzt blogge ich wieder aus dem Zug- ja, aus der RB93, die heute ausnahmsweise einmal einigermaßen pünktlich ist.

Ich bin dieses Jahr zwei Mal bei meiner neuen Arbeitgeberin in Berlin, einmal von Berlin nach Hamburg, von Hamburg nach Hause gefahren. Meine ganze Familie ist nach Altona gefahren, nach Zürich und nach Malmö und Kopenhagen. Wir haben einiges gesehen und erlebt, gerade die Zeit in Malmö konnten wir sehr genießen.

Ich habe immer gedacht, Kopenhagen sei die fahrradfreundlichste Stadt der Welt mit unzähligen Fahrradstrecken. Vielen Strecken, die extra für Fahrräder angelegt wurden. Nun, im Vergleich zu Berlin und Hamburg ist Kopenhagen um einiges besser. Malmö setzt aber noch einen drauf. Es gibt überall Fahrradspuren, bei jeder Baustelle wird auch an die Fahrradfahrer gedacht. Es gibt zum Beispiel extra Umleitungsschilder für Fahrräder und gesicherte Wege über Baustellen hinweg für Fahrradfahrer. Im Prinzip haben Fahrräder an allen Straßenkreuzungen, an denen es keine speziellen Ampeln gibt, immer Vorfahrt. Man fühlt sich sicher beim Fahrrad fahren!

Genial finde ich auch die Möglichkeit, mit der App „Malmö by Bike“ die Stadt zu erkunden. Einmal eingerichtet, gibt es verschiedene Tarife: 24h (80 Kronen, ca 7,20€), 72h (165 Kronen, ca 15,50€) und 365 Tage (250 Kronen, ca 24€). Ab 6 Tage lohnt sich der Kauf des 365-Tage-Tarifs, aber bitte beachten, dieser verlängert sich automatisch, die anderen nicht! Dieses App läuft auch ohne vergoogelte Androids (z.B. eOS), während ich keine App gefunden habe, die auf eOS für Kopenhagen läuft.

Malmö hat einige Stationen über die ganze Stadt verteilt, das System funktioniert so: Ich kann in der App sehen, wo in meiner Umgebung Stationen sind, wie viele Fahrräder dort sind und wie viele Stellplätze frei sind. Stehe ich bei der gewünschten Station, kann ich auf der App wählen, dass ich ein Fahrrad möchte. Es wird mir eine Nummer angezeigt, das Fahrrad an diesem Stellplatz wird für 60 Sekunden freigegeben. (Pro-Tipp: vorher schon schauen, in welcher Richtung die Nummern auf- bzw absteigend sind!) Dann kann man sich das Fahrrad anschauen. Ist es nicht in Ordnung, stellt man es einfach wieder zurück. Es wird als defekt markiert, jemand kommt zur Reparatur. Aktiviert man erneut ein Fahrrad, bekommt man ein anderes. Jetzt hat man 1h mit dem Fahrrad Zeit, zu seinem Ziel zu fahren- Moment, nur eine Stunde? Ja, dieses Leihsystem ist ein kurzfristiges Leihsystem. Ich möchte mit dem Fahrrad vom Strand zum Hotel? Vom Hotel zur Zentrum? Von Zentrum zum Stadion? Vom Stadion wieder zurück zum Hotel? Ja, das geht alles, in allen nur denkbaren Kombinationen. Und man kann sich sicher sein, dass immer ein Fahrrad auf einen wartet oder ein Stellplatz frei ist). Richtige Engpässe haben wir nicht erlebt, man kann ja auch vorher auf der Karte schauen. Selbst bei einem Spiel der dortigen Fußballmannschaft waren Stellplätze am Stadion frei.

Unglaublich zu sehen, wie viele Zuschauer mit dem Fahrrad, zu Fuß oder mit den Öffis angereist sind und wie wenig Autos dort standen. Die Parkplätze für die Funktionäre hatten alle E-Ladestationen- und zwar an jedem Parkplatz. Apropos Auto-Parkplatz: es gibt nicht viele in Malmö, eher Parkhäuser, aber mit überraschend vielen E-Ladestationen. An den Parkhäusern waren direkt auch Bushaltestellen und Leihstationen für Fahrräder und E-Roller. Übrigens habe ich jeden Tag mal auf die Autos geachtet: Mindestens jedes vierte Auto fährt elektrisch.

Ähnlich einfach funktionieren die Öffis: Ich löse in der Skånetrafiken-App ein Ticket für 60 Minuten, 24h, 30 Tage oder 10x24h Tickets. Ab 2 Personen gibt es einen Rabatt. Beim Einsteigen in den Bus hält man den ständig wechselnden QR-Code einfach an das Lesegerät (Pro-Tipp: Handydisplay ganz auf den Leser halten, funktioniert anders als bei der DB). Die Buslinien und Haltestellen sind durchdacht über die ganze Stadt verteilt. Im Zentrum gibt es digitale Anzeigen, weiter ausserhalb muss man die App bemühen. Aber: in der App kann man live verfolgen, wo die Busse sind, wann die nächste Abfahrt von der jeweiligen Haltestelle ist. Die App hat einwandfrei auf meinem entgoogelten Handy funktioniert. Die App für Kopenhagen hingegen läuft nicht mit eos, man braucht dafür die Google-Dienste, also eher Android oder LineageOS.

Die Anzeigen in den Bussen zeigen an Knotenpunkten die nächsten Anschlussmöglichkeiten (so wie in den Großstädten in D auch). Sie laufen übrigens auf einem Debian-Linux!

In den Bussen gibt es übrigens an allen Ecken und Enden USB-Ladebuchsen, wenn man mal wieder zu wenig Akku für sein Handy hat- und WLAN gibt es auch.

Insgesamt betrachtet war das wieder ein sehr schöner Urlaub, ganz ohne Auto. Wenn ich von unserem Urlaub aber erzähle, bleibt bei den meisten wieder nur hängen, dass die Hinfahrt nicht wie geplant funktioniert hat und man deshalb ja mit dem Auto fahren müsste und dass alles nur mit einer Kreditkarte funktioniert.

Ja, das ist richtig, aber wir schaffen es in Deutschland nicht, Fahrradwege zu bauen, die nicht im Nichts enden oder vor Brücken, wo man sein Fahrrad hochschieben muss. Oder Fahrradwege, die nicht genauso ebenerdig wie die Straßen sind, sondern wo es immer nur rauf und runter geht. Wir schaffen es auch nicht, den öffentlichen Nahverkehr so umzubauen, dass man sehen kann, wann die RB93 Verspätung hat oder ob der Bus von der Haltestelle Wingeshausen Kirche wirklich fährt, ob er nur wieder 2 Minuten Verspätung hat, ob man seinen Anschlusszug noch erreicht oder nicht.

Ach, wir sind aber eine Auto-Nation? Auch Autos können wir nicht mehr bauen- die Zukunft ist elektrisch, nicht E-Fuels, nicht Wasserstoff, nicht Diesel, nicht Benzin. Es wird nie so viele E-Fuel-Fabriken geben, dass wir weiterhin all unsere SUVs mit Efuels versorgen können.

Ja, die Reichweiten der Diesel und Benziner können derzeit noch nicht erreicht werden, aber wie oft braucht man das? Innovative Autobauer wie Renault hatten zu Beginn noch geringere Reichweite bei Elektroautos und sind mit einem innovativem Konzept begegnet: Beim Kauf/Leasing eines Elektroautos durfte man sich kostenlos für eine Woche einen Diesel/Benziner für den Urlaub mieten. Chinesische Hersteller verbauen Lithion-freie Akkus (auf Natrium-Basis, also aus Meersalz herstellbar!), chinesische Hersteller bauen Elektroautos, bei denen in Ladestationen die Akkus vollautomatisiert ausgetauscht werden können, Paris zeigte bei den olympischen Spielen, dass eine autofreie Stadt funktioniert. Was machen wir in Deutschland? – Meldung gestern „VW meldet, dass ich das Basis für die neuen Elektroautos weiter verzögert“, FDP möchte eine deutschlandweite Parkflatrate, die Innenstädte sollen mit Autos „belegt“ werden. Das 49€-Ticket steht auf der Kippe, ja noch nicht einmal für den Erhalt der Straßen können wir sorgen, sprechen aber darüber, Autobahnen weiter auszubauen. Immer mehr Spuren, nach dem Motto: „One more lane will fix it!“ Nein, wird es nicht. Es wird dann mehr Stau geben, wir versiegeln mehr Flächen, heizen unsere Städte noch mehr auf.

Wenn wir weniger individuell fahren, leichtere Autos haben und nicht so schnell fahren, halten die Straßen auch länger- schon mal darüber nachgedacht? Jedes Auto braucht 3 Parkplätze: zu Hause, auf der Arbeit und in der Freizeit bzw. beim Einkaufen.

Wir sträuben uns mit Händen und Füßen gegen die Zukunft und schauen zurück, wie toll wir doch zu Zeiten des Wirtschaftswunders bis 1980 waren. Ja, es tut mir leid, die Zeit ist vorbei, wir sind derzeit DIE Lachnummer in Europa. Wir können nichts, aber auch wirklich nichts ohne Probleme und jahrelange Verzögerungen fertig stellen. Irgendwo findet sich immer ein Bremser, und nein, Datenschutz ist nicht das Problem, schaut euch doch bitte mal in Europa um. Unser Problem beim Datenschutz ist die Abhängigkeit von Mircosoft, Apple und anderen Unternehmen und dass wir immer irgendwelche Gründe finden, warum man gerade dies oder jenes nicht machen kann, was notwendig wäre. Es sind keine berechtigten Gründe, sondern nur vorgeschobene, um ja nicht etwas ändern zu müssen. Es gibt keine Probleme mit Windkraftanlagen und Vögeln. Es gibt Probleme mit Autos und freilaufende Katzen für Vögel! Es gibt keine Probleme mit Ladestationen für Autos, wir haben ein Problem mit viel zu komplizierten Vorschriften für Solaranlagen und Akkus. Wir haben kein Problem der zu kleinen Parkplätze, sondern ein Problem damit, Fahrgemeinschaften zu bilden oder das Ebike zu nutzen. Wir haben auch kein Problem des öffentlichen Nahverkehrs, sondern ein Problem damit, die Parteien zu wählen, die öffentlichen Nahverkehr nicht zerstören. Ich führe diese Diskussionen im persönlichen Umfeld bereits schon jahrelang. Immer über das jetzt beschweren, aber nichts ändern möchten.

Und wer einmal gesehen und auch wahrgenommen hat, wie die Dinge in anderen Ländern einfach so funktionieren, schämt sich, was wir alles nicht können. Wer aber immer nur zu Hause bleibt oder im Flieger in den Pseudourlaub fliegt, kann sich seine Welt weiter schön reden. Die Erde hat sich weitergedreht, nicht zum Guten für uns! Je länger wir warten, umso schwieriger wird es für uns, sich zu ändern!

Also: Blick bitte nach vorne richten und schauen, wie wir jetzt die Probleme der Gegenwart lösen können und in die richtige Richtung in der Zukunft laufen. Danke.

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