60 Tage mit dem 49€-Ticket

Endlich kam es- lange erwartet, aber erfüllt es auch alle Erwartungen? Wird der öffentliche Nahverkehr rappelvoll? Ist es alltagstauglich? Was geht noch besser?

Der Vorgänger

Die meisten meiner Leser werden sich noch an das 9€-Ticket erinnern. Leider war dieses nur für 3 Monate im Jahr 2022 verfügbar. Endlich war Schluss mit dem komplizierten Tarifdschungel, einfach reinsetzen in den ÖPNV und mitfahren. Egal, ob ausgedruckt auf Papier oder in einer App, ganz unkompliziert vor der ersten Fahrt lösen. Das Ticket habe ich für alle 3 Monate gekauft. Für mich lohnte sich dies bereits ab der ersten Fahrt.

Was ist beim 49€-Ticket anders?

Eigentlich hatte ich gedacht, ich bräuchte diesen Abschnitt nicht, weil jede(r) Bescheid weiß. In vielen Gesprächen ist mir aber aufgefallen, dass die Informationen nicht richtig angekommen sind. Hier also die wichtigsten Punkte:

  • das 49€ Ticket kann jeden Monat gekündigt werden
  • es gilt vom ersten bis zum letzten eines Monats
  • es ist ein Abo und verlängert sich automatisch jeweils um einen Monat, sofern es nicht gekündigt wird
  • es gibt keine kostenlose Fahrradmitnahme
  • es kann nur elektronisch (in einer App oder auf einer Website) gebucht werden, nicht an einem Schalter oder Automaten
  • es heißt „Deutschland-Ticket“ und kann in Zukunft teurer werden

Ja, es gibt hier Ausnahmen, gerade bezüglich Fahrradmitnahme, aber grundsätzlich wurde das Ticket erst einmal so beschlossen.

Grundsätzliches

Mir ist bewusst, dass es nicht für jeden Fall die Lösung ist, auf den ÖPNV zu setzen und es gibt manchmal gute Gründe, nicht damit zu fahren. Gerade bei der Diskussion auf Mastodon sind mir noch einige Punkte aufgefallen, die mir so vorher nicht bewusst waren. Das Ziel ist es, meine Lösung zu zeigen, die derzeit für mich funktioniert. Dies soll lediglich eine Anregung sein, über den eigenen Weg nachzudenken.

Wer länger meinen Blog verfolgt, weiß, dass ich mich schon länger mit dem Gedanken beschäftige, möglichst CO2-arm zur Arbeit zu bewegen.

Inzwischen habe ich das soweit perfektioniert, dass ich für jede Fahrt im Kopf durchgehe, welche Optionen ich habe, und was dies für meinen CO2-Fußabdruck bedeutet. Dabei wähle ich ein Transportmittel in der folgenden Rangliste aus:

  1. ich bleibe zu Hause
  2. ich nutze mein Fahrrad
  3. ich nutze den ÖPNV
  4. ich nutze den E-Smart
  5. ich nutze unseren Touran

Ich frage mich also immer: Muss ich überhaupt fahren? Wenn ja, geht das auch mit dem Fahrrad? Brauche ich den Fahrradanhänger? Wieviel Zeit habe ich?
Bei der Nutzung des ÖPNVs schaue ich, welche Optionen ich habe: Wann fährt die nächste Möglichkeit? Kann ich währenddessen noch was arbeiten? Muss ich viel transportieren?
Reicht die Reichweite des e-smarts? Wie viele Personen müssen transportiert werden? Kann ich Fahrten zusammenlegen?

Meine derzeitige Lösung für den Arbeitsweg:

Wir haben 2 Anwesenheitstage: Mittwochs und Donnerstags, die anderen 3 Tage arbeite ich im Homeoffice. Am Mittwoch fahre ich morgens mit dem Fahrrad (nicht E-Bike) auf Arbeit und verstaue dort mein Fahrrad sicher. Nachmittags nach der Arbeit fahre ich mit dem ÖPNV zurück.
Am nächsten Tag fahre ich mit dem ÖPNV hin und fahre mit dem Fahrrad nach der Arbeit wieder zurück.

Für mich hat diese Kombination viele Vorteile:

  • ich mache an zwei Tagen qualifizierten Sport
  • ich kann im Zug ungestört arbeiten – kaum Zeitverlust
  • die Umstiegszeit nutze ich für Planungen

Argumente gegen den ÖPNV

ÖPNV ist immer unzuverlässig

Das stimmt so nicht. Es gibt einzelne Teilstrecken, die sehr unzuverlässig sind, zum Beispiel die Strecke zwischen Berleburg und Siegen. Diese Strecke wird im bundesweiten Statistiken gerne als einer der unzuverlässigsten Strecken genannt. Gerade in letzter Zeit hat die Unzuverlässigkeit stark zugenommen.

Die Gründe hierfür sind vielfältig. Wie wir alle wissen, sind die Zugstrecken in den letzten Jahrzehnten kaputt gespart worden. Dazu empfehle ich den Beitrag der heute-show [ZDF Mediathek] [Youtube] zum Thema.

Drei Gründe will ich hier aber aufgreifen:

  1. zwischen Erndtebrück und Hilchenbach gibt es kein 2. Gleis, noch nicht einmal an den entsprechenden Haltestellen
  2. es gibt schlicht und ergreifend zu wenig Züge, so dass es auf Grund von technischen Problemen zu Verzögerungen und und Ausfällen kommt
  3. die Strecke zwischen Erndtebrücker Eisenwerke und Erndtebrück Bahnhof kann nur Schritttempo gefahren werden, da es sehr viele unbeschrankte Bahnübergänge gibt

Diese Gründe lassen sich technisch lösen. Das ist nicht kostenlos, aber ich denke, gerade Punkt 2 und Punkt 1 sind einfach lösbar. Wenn alle 3 Punkte gelöst wären, könnte es auch eine höhere Taktung geben.

Auch will ich hier nicht verschleiern, dass es Probleme mit dem Bus zwischen Wingeshausen und Aue gibt, der eigentlich morgens die Kinder zum Bahnhof Aue-Wingeshausen befördern soll, damit diese rechtzeitig zur Realschule Erndtebrück kommen. Wie ich in regen Austausch mit der VWS erfahren habe, wird dieser von der Deutschen Bahn betrieben. Normalerweise können auf der Seite der VWS die Ausfälle nachgeschaut werden, aber in mindestens einem Fall hat dies auch nicht funktioniert. Der Bus um 5:18 fährt hingegen immer zuverlässig. Dieser transportiert auch Mitarbeiter:innen verschiedener Firmen. Ein Schelm, wer denkt, dass das Transportieren von Arbeiter:innen wichtiger ist als das Transportieren von Schüler:innen. Die Wahrheit liegt woanders. Es sind unterschiedliche Betreiber. Auch unschön ist, dass ich die Verspätungen und des Ausfall des „Schülerbusses“ nicht in der DB-App sehen kann, obwohl dies ein Bus im Auftrag der DB ist. An der Klärung dieses Problems bin ich noch dran. Scheinbar sind dort Schnittstellen vergessen worden.

Und damit sind wir auch schon beim Grundproblem: Wir wissen, das ganze System ist kaputt gespart. Es gibt Mängel, aber die meisten halten sich mit Meckern auf. Einfach mal freundlich nachfragen an den zuständigen Stellen. Wenn mal wieder der Bus oder der Zug ausgefallen ist oder zu spät kommt, hat man ja genug Zeit dafür, sich zu informieren, anstatt das ganze auf Facebook zu posten. Nur wer konstruktiv damit umgeht, kann auch Veränderungen bewirken. Auch kann das Personal weder am Telefon, noch per Mail, noch Vor-Ort irgendetwas dafür, das diese Probleme auftreten. Der Fehler ist eher bei den bisherigen Verkehrsministern und der entsprechenden Gesetzgebung zu suchen. Zweiter Lösungsansatz wäre dann natürlich die Parteien zu wählen, die den ÖPNV nachhaltig fördern wollen und diesem den Vorrang geben.

Trotz allem funktioniert der ÖPNV noch. Und das finde ich bemerkenswert. Trotz aller Widrigkeiten finden die Leute Vor-Ort und den Schaltzentralen immer noch einen Weg, wie es trotzdem weiter geht. Und die Mitarbeitenden in den Telefonzentralen und an der E-Mail-Hotline müssen auch einiges aushalten. Danke dafür!

ÖPNV lohnt sich nicht für mich

Dieses Argument konnte beim 9€-Ticket ganz schnell widerlegt werden. Aber wie ist es beim 49€-Ticket? Grundsätzlich wird ja häufig das Argument genannt, dass der ÖPNV keine Alternative für das Land oder den Rand eines Speckgürtels sei, weil zu selten was fährt, deshalb „braucht man ja ein Auto“. Ich lebe selbst auf dem Land und bin der Meinung, wenn es richtig organisiert wird, braucht man derzeit selten ein Auto. Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass unter bestimmten Voraussetzungen kein Auto nötig ist, selbst bei uns.

Das Problem in den heutigen Diskussionen ist, dass von Seiten der Autobefürworter immer 100%-Lösungen verlangt wird. Es wird verlangt, dass die Fahrzeuge sofort von hier bis Portugal fahren können. Außerdem soll damit nicht nur die ganze Familie, sondern auch der kompletter Hausrat transportiert werden. Sport ist Sport und Transport ist Auto. Wenn man Sport machen möchte, soll man gefälligst mit dem Auto ins Fitnessstudio fahren.
Fakt ist, dass wir etwas ändern müssen und es nicht so weiter geht. Jedes eingesparte Auto, jeder nicht mit dem Auto zurückgelegter Kilometer ist ein Gewinn.

Auf der anderen Seite kostet auch ein Auto Geld. In der Anschaffung, in den Unterhaltungskosten, auch ohne, dass das Auto auch nur einen Meter bewegt wird. Auch sollte ein Auto nicht zu lange stehen, da dies für Autos auch schädlich ist. Trotzdem müssen die Kosten für ein Auto, die entstehen, monatlich umgerechnet werden. Diese liegen dann deutlich über den 49€/Monat und werden natürlich mehr, je mehr gefahren wird.

Logische Folge für o.g. Personengruppe wäre, entweder kein eigenes Auto zu besitzen, Autos zu teilen oder auf zumindest andere Art die Anzahl der Autos zu reduzieren. Z.B. bei 3 Fahrern nicht 3, sondern nur 2 Autos zu besitzen.

Die ÖPNV-Verbindungen sind zu selten

Nun, hier haben wir ein grundsätzliches Problem. Es gibt einfach zu wenig Personal und zu wenig „Hardware“ (Busse und Züge). Andererseits sind die Verbindungen bei uns nicht so schlecht, wie sie gerade von vielen beschrieben werden. Es stimmt zwar, dass von Wingeshausen nach Aue nur 2x ein Bus pro Tag fährt, aber wussten Sie, dass auch ein Rufbus jede halbe Stunde fährt? Dieser kostet für die Besitzer eines 49€-Tickets nichts extra. Dummerweise muss man diesen spätestens 45 Minuten vorher bestellen. Wenn ich keinen Bock darauf habe, dass telefonisch zu machen, geht das auch online. Für die regelmäßigen Fahrten reicht das aus. Für unregelmäßige Fahrten muss ich mir das halt vorher überlegen.

Ich weiss nicht, wann überhaupt was fährt

Dafür existieren mehrere Lösungsmöglichkeiten.

Wer es einfach haben möchte, installiert sich die DB-App. Hiermit kann man sich auch in die unmöglichsten Ecken navigieren lassen – z.B. „Wingeshausen Kirche“ bis „Marseille Plage“ mit nur Regionalverkehr, wenn man möchte. Dass diese Kombi keinen Sinn macht, und man ein wenig „tweaken“ muss, um eine sinnvolle Verbindung zu bekommen, ist logisch. Wenn ich mit dem Navi eine Autostrecke von hier nach Südfrankreich planen würde, würde ich ja vielleicht bestimmte Mautstraßen meiden wollen, andere wiederum auch nicht. Es schadet nichts, zumindest einmal über einen großen Eisenbahnplan zu schauen, um zu sehen, wo die Knotenpunkte der Bahn sind.

Andererseits ist es bemerkenswert, dass es überhaupt funktioniert. Dafür ziehe ich den Hut vor den Programmierern der App! Gut funktioniert auch die Verbindung zwischen zwei Punkten innerhalb Deutschlands, aber genauso wie Navi-Apps nicht immer überlastete Knotenpunkte vermeiden, gibt es auch hier Verbesserungsbedarf. Wenn jemand Verantwortliches diese Zeilen liest, ich stehe gerne für technisch versierte Verbesserungsvorschläge zu Verfügung.

Außerdem gibt es eine Kaufmöglichkeit für Tickets direkt in der App- z.B. für das 49€-Ticket oder andere Tages-, Wochen- oder Monatstickets oder sogar der Bahncard in allen Variationen.

Schlecht hingegen ist der Datenschutz der App. Dazu hat Mike Kuketz mehrfach in seinem Blog geschrieben: https://www.kuketz-blog.de/deutsche-bahn-wir-reichen-klage-ein-klageschrift-oeffentlich/

Glücklicherweise ist die Schnittstelle (API) der Bahn offen, deshalb sind einige tolle Projekte entstanden, z.B. https://www.chronotrains.com/de – hier können Sie sehen, bis wohin Sie von Ihrer Haltestelle aus in Europa in 8 Stunden kommen.

Bis die Klage bei der Bahn durch ist, muss jemand mit größerem Datenschutzwunsch leider eine Stufe komplizierter leben:

Die PDF mit dem Monatsticket extra aufheben und stattdessen eine App wie „Öffi“ oder „Transportr“ installieren.

Fazit

Meiner Meinung nach nutzen wir die alle die Möglichkeiten einfach noch viel zu selten. Es ist mehr möglich, als auf den ersten Blick scheint. Wir als Familie werden in Zukunft auch noch einige Möglichkeiten austesten, aber dazu in einem anderen Artikel mehr.

(Das Beitragsbild ist ein Bildschirmfoto der DB-App)

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