Keinen Bock auf asoziale Netzwerke?

Ich habe vorhin das heute journal-Interview mit Sascha Lobo wegen Twitter geschaut und bin schockiert davon, mit welchem falschen technischen Informationen Herr Lobo über Mastodon gesprochen hat. Hier eine Klarstellung und eine paar wichtige Links dazu.

Ich stehe sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenüber. Die klassischen, also eher asozialen Netzwerke wie Facebook, Instagram und Twitter stehen ja nicht nur wegen der massenhaften Sammlung von Nutzerdaten in der Kritik. Auch bedenklich ist das Sortieren von Informationen in der sogenannten Timeline, die ihren Namen nicht mehr verdient. Früher wurden die Nachrichten wirklich in der Reihenfolge des Postens (=Absenden eines Beitrages) gelistet. Heute arbeiten Algorithmen daran, dass der Nutzer möglichst viel Zeit auf einer solchen Plattform verbringt. Das wird auf verschiedene Weisen erreicht:

  1. Der Nutzer bekommt Dinge angezeigt, die seinen Interessen entsprechen. Das klingt erst einmal gut, führt aber zu der sogenannten oft zitierten Bubble. Wenn ich mich für politische Themen einer Partei interessiere, dann bekomme ich überwiegend Beiträge von Personen angezeigt, die meiner Meinung sind. Keine gute Idee, denn im echten Leben muss sich jeder auch mit Personen auseinandersetzen, die anderer Meinung sind. Beispiel:
    Fragen Sie doch einmal auf Arbeit, wer für und gegen Gendern ist! Stellen Sie die gleiche Frage auf den asozialen Netzwerken, bekommen Sie ein ganz anderes Meinungsbild.
    Das Gleiche mit Themen wie: Tempolimit, welche Partei am besten sei, welche Automarke am besten sei, usw.
  2. Der Nutzer bekommt Dinge angezeigt, die ihn lange beschäftigen. Leider sind negative und uns aggresiv machende Dinge/Beiträge/Personen/Ereignisse länger in unserem Gedächtnis als positive. Also streuen die Algorithmen Beiträge von Personen ein, die uns aggressiv machen und eine Reaktion hervorrufen. Je impulsiver, desto besser für die Plattform, weil diese wieder entsprechend reagieren können und bei anderen Nutzern weiter zu einer Eskalation führen. Bei Facebook und Twitter ist der Weg nicht weit zu Morddrohungen oder zum Aufruf zu Gewalt. Gerade Facebook ist hier sehr extrem. Es gibt zwar die Möglichkeit, solche Morddrohungen zu melden, aber wenn sich nicht genug Personen finden, die dies melden, wird das ganze mit „freier Meinungsäußerung“ abgetan.
  3. Der Nutzer bekommt Werbung angezeigt. In unsere Timeline wird Werbung eingespielt, die gezielt auf uns abgestimmt ist. Ein Resultat aus der Sammlung der Daten über uns. Oh, das ist jemand zwischen 25-30 Jahren, männlich, Fußballfreund aus der Nähe von Dortmund und interessiert sich für schnelle Autos, dann spielen wir die VW-Werbung mit dem BVB-Spieler XY ein. Ach, den Spot hat er sich angeschaut, ja dann interssiert er sich bestimmt auch für Beiträge gegen das Tempolimit.
  4. Die Werbetreibenden bzw die Beiträge, die denen nahe stehen liegen meist nah beieinander und so lange wie die asozialen Netzwerke noch nicht wissen, werden sehr fragwürdige Beiträge geteilt. Ich habe den Test mit mehreren Fakeprofilen bei Facebook gemacht- jedes Mal mit unterschiedlichen IP-Adressen, Standorten und Nutzernamen, die unterschiedlichen Geschlechtes sind. Mir wurden zu Beginn Beiträge sogenannter „alternativer Fakten“ angeboten.

Wer damit nicht (mehr) umgehen kann oder möchte, wer keine Lust auf manipulierende Algorithmen hat, sollte zu echten sozialen Netzwerken gehen, wo die Beiträge wirklich moderiert werden und Diskussionen nicht eskalieren. Und genau an dieser Stelle hake ich jetzt wieder bei dem Interview ein: Ja, Mastodon ist kein Twitter-Klon und möchte es auch nicht sein. Es ist aber ähnlich.

Es ist ein soziales Netzwerk im sogenannten Fediverse, dass auch den Zusatz „sozial“ verdient. Was sich hinter den Begriffen Fediverse und im speziellen hinter Mastodon verbirgt, hat Mike Kuketz in seinem Blogbeitrag „Das Fediverse…“ genauer beleuchtet. Die Timeline zum Beispiel ist wirklich nach dem Alter der Beiträge sortiert. Die einzelnen Server der Instanzen werden in der Regel gut moderiert und Hassbeiträge schnell gelöscht.

Um es kurz zu machen und das Interview noch einmal aufzugreifen: Es ist kein eigener Server notwendig, um bei Mastodon mitzumachen und es sind nicht nur Nerds vertreten – gibt ja außer mir noch andere Nutzer 😉

Wer einen Einstieg finden möchte, hier eine kleine Auswahl, was dafür zu tun ist:

  1. Einen geeigneten Server aussuchen. Was es damit auf sich hat steht im Beitrag von Mike Kuketz. Wer mit mir auf einem Server sein möchte, kann sich gerne bei nrw.social anmelden. Dann sind wir sozusagen in der Nachbarschaft. Außer mir sind eine ganze Menge anderer netter Leute aus NRW dabei. Ansonsten gibt es auf joinmastodon.org eine komplette Liste. Ich habe mich bewusst für einen regionalen Server entschieden, weil ich nicht nur Leute mit den gleichen Hobbies in der Nachbarschaft haben wollte. Ich kann anderen auch folgen, und es wäre auch möglich umzuziehen.
  2. Eine geeignete App fürs Smartphone suchen. Für Android empfehle ich tusky.
  3. Beim Server anmelden. Bitte beachten: Eine Reihe von E-Mailservern sind für die Anmeldung nicht geeignet, das es von dort zu zuviel Spam kam. (z.B. gmail)
  4. Eine Vorstellungsnachricht schreiben ( Hashtag #neuhier ) benutzen
  5. Die netten Leute in der Nachbarschaft genießen.

Weitere Tipps noch hier: https://digitalcourage.de/digitale-selbstverteidigung/fediverse unter Schritt 4.

Viel Spaß beim Tröten!

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